"Automation birgt enorme Einsparpotenziale"

Oliver Borchmann, Senior Vice President Product Development AS DACH bei dormakaba, zur Energieeffizienz von Smart Buildings.
Fast 40 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland gehen auf das Konto des Gebäudesektors, der somit großes Potenzial für Energieeinsparungen bietet. Geht es nach der Bundesregierung, soll der Bestand bis zum Jahr 2050 nahezu klimaneutral sein. Welche Rolle das Smart Building dabei spielen kann, hat uns Oliver Borchmann im Interview verraten.
dormakaba: Wie bewerten Sie den Stand der Energieeffizienz in Gebäuden?
Oliver Borchmann: Grundsätzlich geht es in Deutschland voran. In den letzten Jahren wurde vor allem die Dämmung im Bestand und Neubau gefördert. Besonders bei Gebäudebestandteilen wie Fenstern, Türen und Fassaden hat sich viel getan. Auch die Optimierung bestehender Heizungssysteme spielt eine Rolle: Wer hier eine Zertifizierung erhält, kann den Wert seines Gebäudes erhalten oder sogar steigern.
Ein Problem liegt nur wie so häufig darin, dass die auf die Wärmedämmung ausgerichtete bauliche Sanierung der Gebäudehülle zwar den Energieverbrauch verringert, aber auch äußerst kostenintensiv ist.
Was kann die Automatisierung von Gebäuden zur Energieeffizienz beitragen?
Sehr viel: Wenn sich Lüftung, Heizung und Beleuchtung abhängig von Tageszeiten, Umwelteinflüssen oder persönlichen Bedürfnissen durch ein zentrales System steuern lassen, birgt allein das schon enorme Einsparpotenziale.
Und während kommerzielle Gebäude in Deutschland bereits gut aufgestellt sind, ist der Automatisierungsgrad mit ca. 10 % in privaten Neubau-Gebäuden noch gering. Da es hierzulande auch sehr viele Bestandsgebäude gibt, liegt der Automatisierungsbedarf bei Renovierungen noch deutlich höher. Allgemein lässt sich aber sagen, dass Deutschland in Sachen Smart Building und damit auch bei der Energieeffizienz im globalen Vergleich vorne liegt.
Was zeichnet für Sie ein Smart Building aus und was kann dormakaba dazu beitragen?
Ein intelligentes Gebäude zeichnet aus, dass es assistierende Systeme zusammen mit Automation nutzt, um den Komfort, die Sicherheit und Energieeffizienz zu erhöhen. Parameter wie die Lichtfarbe, Helligkeit oder das Innenklima werden dabei an individuelle Bedürfnisse oder Profile angepasst, ohne dass die Gebäudenutzer davon etwas mitbekommen. Dabei wird permanent analysiert, wo und warum der Verbrauch am höchsten ist, um ihn gezielt optimieren zu können.
Nehmen wir das Innenklima als Beispiel: Da die meiste Wärme aus dem Gebäude durch geöffnete Türen entweicht, können intelligente Schiebetür-Systeme für mehr Energieeffizienz sorgen. Ganz einfach, indem Sensoren die Öffnungszeiten an das Gehverhalten anpassen und sofort nach dem Durchschreiten den Schließimpuls geben.
„Ein intelligentes Gebäude zeichnet aus, dass es assistierende Systeme zusammen mit Automation nutzt, um den Komfort, die Sicherheit und Energieeffizienz zu erhöhen.“
Wo sehen Sie weitere Trends und Innovationen in Bezug auf die Energieeffizienz in Gebäuden?
Zuallererst geht es darum, wesentliche Einflussfaktoren wie die bereits genannten noch effizienter zu steuern. Das kann zum Beispiel abhängig von Benutzer- oder Präsenzprofilen geschehen. Wenn bspw. die Lichtverhältnisse und Raumtemperaturen adaptiv reguliert werden, kann ein erheblicher Teil der sonst genutzten Energie eingespart werden.
Eine weitere Entwicklung besteht darin, Gebäude so zu steuern, das eigenerzeugte Energie (beispielsweise durch Photovoltaik) maximal genutzt wird. Die Speicherung über Akkumulatoren und smartes Energiemanagement können das ermöglichen. Weitere Innovationen sehe ich im Monitoring der Gebäudedaten und im Remotezugriff auf intelligente Gebäudesysteme ¬– zum Beispiel via Smart Metering und über das Internet of Things.
Welche Rolle können Gebäude als „Prosumer“ spielen?
Um die von der Bundesregierung gesetzten Klimaziele zu erreichen, sollten Gebäude gleichzeitig Energieerzeuger und Verbraucher sein. Ersteres kann durch Photovoltaikanlagen, Mikro- und Mini-Blockheizkraftwerke oder Brennstoffzellenheizgeräte geschehen.
Indem diese Gebäude über Smart Grids ans Verteilernetz angeschlossen sind und überschüssige Energie einspeisen, können sie auch andere Gebäude versorgen und Stromnetze entlasten. So ist klar, dass Gebäude als Prosumer für die Energiewende immer wichtiger werden.
Worauf kommt es bei der Automatisierung im Bestand, worauf beim Neubau an?
Im kommerziellen und privaten Neubau kann die Automatisierung von Anfang an eingeplant werden, womit automatisch der Grad der Automatisierung höher ist. Bei Renovierungen im Bestand kommt es vor allem auf die nachträgliche Integration bei einem möglichst geringen Aufwand und damit niedrigen Kosten an. Viele Lösungen sind hier einfach noch zu teuer, weshalb vor allem einfach zu installierende „Plug and Play“- oder Funklösungen gefragt sind. Generell muss die Automation für den Gebäudebetreiber oder Investor noch attraktiver werden.
Was können Architekten, Planer und Betreiber für die Einhaltung der Klimaziele tun?
Im Grunde geht es im Gebäudesektor darum, die Umsetzung der Automatisierung und damit auch der geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) voranzutreiben. Hier sind vor allem Planer gefragt. Für Architekten und Investoren spielt das Gebäudeimage eine große Rolle – wenn energieeffiziente Systeme eine Gebäudezertifizierung bewirken, lassen sie sich leichter „verkaufen“. Betreiber dürfte hingegen vor allem die Höhe der Life Cycle-Kosten beschäftigen, da diese über die Nutzungsdauer des Gebäudes um ein Vielfaches höher sind als die initialen Errichtungskosten. Mit Hilfe energieeffizienter Systeme lassen sie sich niedrig halten.
Ziehen also alle Gewerke wie auch Politik und Gesellschaft an einem Strang, stehen die Chancen für eine smartere und damit energieeffiziente Gebäudezukunft sehr gut.
Vielen Dank für das Interview, Herr Borchmann!
Oliver Borchmann ist studierter Elektrotechnikingenieur und war vor dormakaba verantwortlich als Geschäftsführer und Global Vice President für R&D und Produktmanagement in einem international tätigen Unternehmen der Gebäudeautomatisierung.